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Dramatische Gesundheitskrise: Indien geht in neuer Corona-Welle der Sauerstoff aus

Delhi/Patna/Berlin – Der vorhandene Sauerstoff reicht häufig nur noch für einige Stunden, ob Nachschub kommt, ist ungewiss. Das Leben der Covid-Patienten in den indischen Krankenhäusern und auf den Intensivstationen hängt am seidenen Faden und buchstäblich davon ab, ob neue Sauerstoffflaschen beschafft werden können.


Und diejenigen, die es in die Krankenhäuser geschafft haben, hatten schon das Glück, nicht am Eingang abgewiesen worden zu sein. Die erneute Corona-Welle trifft Indien mit voller Wucht, ein schon in normalen Zeiten unzureichendes öffentliches Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps.

Ein Bericht der britischen BBC zeigt die dramatische Lage in einem Krankenhaus in Delhi.



Schon die offiziellen Zahlen an Corona-Infektionen stellen mit mehr als 300.000 Neuinfektionen am Tag einen traurigen weltweiten Negativrekord dar. Doch während die offiziellen Zahlen durch das Verhältnis zur Gesamtbevölkerung in Indien relativiert werden, dürfte die Dunkelziffer weitaus höher liegen. Die Situation im Gesundheitssystem spricht eine klare Sprache.



In der Tat erreichen uns jeden Tag neue Schreckensmeldungen aus Indien. „Wir hören von vielen unserer Freunde und Bekannten, dass sie infiziert sind und mit dem Virus kämpfen“, berichtet unser 1. Vorsitzender Martin Haus. „Auch Ambarish Rai, National Convenor des Right to Education Forums, ist am 23. April verstorben. Mit ihm verliert Indien eine prominente und kraftvolle Stimme für das Recht auf Bildung.“ Ein Nachruf auf Ambarish Rai ist hier zu finden. Der Indian Express berichtete über seine Odyssee auf der Suche nach einem Krankenhausbett und Sauerstoff.


Während Indien lange Zeit einigermaßen glimpflich durch die Pandemie kam, spitzte sich die Lage seit Anfang März in dramatischem Tempo zu und traf die Regierung und politische Verantwortungsträger offenbar gänzlich unvorbereitet.

„Die aktuelle Situation führt uns auf brutale Art und Weise vor Augen, dass ein starkes und funktionierendes öffentliches Gesundheitssystem, das alle Menschen unabhängig von ihrem Geldbeutel behandeln kann, unbedingt notwendig ist“, sagt Haus. Die Stärkung des öffentlichen Sektors sei im Hinblick auf zukünftige Krisen unerlässlich. „Das gilt für das Gesundheits- ebenso wie für das Schulsystem“, so Haus.


Die Schulen, die gerade nach fast einem Jahr der Schließung wieder sukzessive öffneten, mussten erneut schließen. Religiöse Feste wie die Kumbh Mela in Haridwar mit Millionen von Pilgern und Wahlkampfveranstaltungen fanden dagegen weiterhin statt. Darüber berichtete auch das Auslandsjournal des ZDF.


Unser Projekt zur Verteilung von Lern- und Hygienepaketen an Kinder auf öffentlichen Grundschulen in Bihar ist von den Schulschließungen nicht direkt betroffen. „Als wir das Projekt geplant und Fördergelder hierfür beantragt haben, sind wir von der Möglichkeit geschlossener Schulen ausgegangen“, erklärt unser 2. Vorsitzender Benjamin Scholz. „Falls die Schulen geschlossen sind, können die Pakete in den Dörfern an die Kinder verteilt werden, die dann trotz der Schulschließungen nicht komplett den Bezug zu Bildung verlieren. Dies ist unser Plan B, soweit kein Lockdown dem entgegensteht und unsere indischen Partner sicherstellen können, dass das Personal keinem unvertretbaren Risiko ausgesetzt wird.“


Teil der Pakete sind auch vom Sozialunternehmen Aakar Innovations produzierte Menstruationsbinden für Mädchen. Diese wurden bereits an Prayatna ausgeliefert, die bei der Nichtregierungsorganisation Pratham Books bestellten Bücher und Spiele sollen Ende April folgen.


Wann die Verteilung beginnen kann, ist allerdings aktuell noch unklar. „Wir müssen natürlich Menschenansammlungen unbedingt vermeiden“, erklärt Scholz. „Priorität hat aktuell, so viele Menschenleben wie möglich zu retten. Wenn die Pandemie wieder im Griff ist, müssen wir an die durch Covid verschärfte Bildungsmisere heran.“


Als Nothilfemaßnahme will unsere Partnerorganisation Prayatna wie schon in der ersten Welle, Essens- und Hygienerationen an besonders hart von der Pandemie getroffene Menschen wie Tagelöhner und Wanderarbeiter verteilen. Denn die Gesundheitskrise geht für viele ärmere Menschen mit einer Versorgungskrise einher.


Für morgen hat unser Vorstand aufgrund der extremen Notsituation zudem eine kurzfristige außerordentliche virtuelle Mitgliederversammlung einberufen. „Wir wollen zumindest einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass die Infektionen gebremst werden“, so Scholz.


Haus ergänzt: „Die menschlichen Tragödien, die sich aktuell in Indien abspielen, sind einmal mehr ein Beweis dafür, wie ernst dieses Virus genommen werden muss. Wer so tut, als gäbe es keine Pandemie, oder als seien Masken- und Testpflichten unnötig, dem empfehle ich einen Blick auf Twitter-Nachrichten aus Indien. Seit Tagen ist meine Timeline zu großen Teilen eine Börse für Sauerstoff. Verwandte suchen nach Sauerstoff, nach Krankenhausbetten. Und auch bei uns laufen die Intensivstationen voll.“


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